Die Familiengeschichte
Die Ursprünge der Familie Kühne lassen sich bisher urkundlich bis in das Jahr 1458 zurückverfolgen. In diesem Jahr wurde Curd Kühne mit dem Sattelhof in Veltheim am Fallstein, damals Teil des Bistums Halberstadt, am westlichen Rand der Magdeburger Börde belehnt. Bis Ende des 17. Jahrhunderts lebten acht Generationen in der in unmittelbarer Nähe gelegenen Stadt Hornburg (seit 1941 Kreis Wolfenbüttel), dort belehnt u.a. mit dem Hof an der Hagenpforte.
17. Jahrhundert
Kühnes betrieben Hopfenanbau und waren Brauherren; sie stellten Amtsleute, Stadtschreiber und Notare. Tobias Daniel Kühne (1637-1709) war Bürger- und Postmeister. Den finanziellen Wiederaufstieg nach dem dreißigjährigen Krieg verdankte die Familie der Überlieferung nach dem Umstand, dass ihre Braupfanne den langen Krieg unversehrt überstanden hatte.
Johann-Christoph Kühne (1663 – 1719) verließ Ende des 17. Jahrhunderts die Gegend um Hornburg. Er pachtete zunächst für kurze Zeit das große preußische Amt Jerichow östlich der Elbe, später ebenfalls nur für einige Jahre die anhaltinische Domäne Dornburg. Danach erwarb er das Lehn an dem Münchhausen’schen Rittergut in Sülldorf (nahe Wanzleben) und schließlich 1710 das Lehn an dem “ersten landtagsfähigen Rittergut der Stadt Wanzleben” von den Freiherrn v. Blumenthal.
18. Jahrhundert
Die preußischen Domänenämter wurden unter Friedrich Wilhelm I. wieder in Zeitpacht vergeben, zunächst betrugen die Pachtperioden 6 Jahre später in der Regel 18 Jahre. Die Verpachtung der Domänenämter wurde bereits damals ausgeschrieben. Die Pächter mussten bürgerlichen Standes, erfahrene Landwirte und von bester Bonität sein. 1778 gelang es Ludwig Philipp (Louis) Kühne (1751-1828), Enkel von Johann-Christoph, als erstem aus der Familie, den Zuschlag für die Pachtung der Domäne Wanzleben von der preußischen Domänenkammer zu erhalten. Anschließend hatte er großen Anteil an der Beilegung eines Streites zwischen den Ackerbürgern der Stadt Wanzleben und der preußischen Krone um die Auflösung der mittelalterlichen Koppelwirtschaft in Wanzleben hatte. Er regte die Trockenlegung der Faulen See, einem flachen Salzsee südlich der Stadt, und der Domersleber See an. So wurde wertvolles Wiesen- und Weideland gewonnen. Das erlaubte eine wesentliche Erhöhung des Viehbestandes und Düngeraufkommens.
Wegen der hervorragenden Böden, ihrer nach Auflösung der Koppelwirtschaft fast vollkommenen Arrondierung und wegen ihrer Größe wurde die Domäne Wanzleben bis 1945 die Wertvollste des preußischen Domänenfiskus. In der Ära des Königreichs Westfahlen war Ludwig Philipp Kühne Maire des Kantons Wanzleben, Mitglied des Elbe-Departement-Rates und der Reichsstände des Königreichs Westfahlen in Kassel.
Die Domänenpacht musste auf Anordnung Napoleons an den Erzkanzler des französischen Kaiserreichs zu dessen Dotation bezahlt werden. Nach der Niederlage Napoleons wurde Ludwig Philipp Kühne Bürgermeister der Stadt Wanzleben.
Ihm folgte Friedrich Philipp Ludwig Kühne (sog. “Hasenkönig”, 1777-1847). Dieser baute eine erste Zuckerfabrik auf dem Amt. Ludwig Samuel Kühne (1786-1864), jüngerer Bruder des “Hasenkönig”, war preußischer Finanzbeamter und wurde zum Generalssteuerdirektor des Königreichs Preußen befördert. In seinem Ruhestand wirkte er als Parlamentarier in verschiedenen Parlamenten des preußischen Königreichs. Er hatte mit seinen Publikationen und seinem Verhandlungsgeschick maßgeblichen Anteil an der Gründung des Deutschen Zollvereins.
19. Jahrhundert
Philipp August Kühne (1815-1945) war ab 1845 in dritter Generation Pächter der Domäne Wanzleben und in fünfter Generation Eigentümer des Rittergutes in Wanzleben. Er verkörperte jenen damals neuen Typus Agrarunternehmer, der es verstand, landwirtschaftliches und industrielles Knowhow mit unternehmerischem Handeln zu verbinden. Er begründete eine erfolgreiche Züchtung belgischer Kaltblüter mit zahlreichen Preis gekrönten Tieren. Seine Merinoschafe galten als Musterherde. Es gelang ihm, den landwirtschaftlichen Besitz zu erweitern und in der Zuckerindustrie Fuß zu fassen.
Philipp-August Kühne gründete 1856 die von der Kühne Schäper & Co oHG in Wanzleben betriebene zweitgrößte Zuckerfabrik der Magdeburger Börde und erwarb nicht nur das Rittergut Wanzleben zu Volleigentum sondern 1863 auch das Rittergut Nienhagen bei Halberstadt für seinen ältesten Sohn Philipp. Sein Sohn Hans pachtete die preußischen Domäne Schmölln und erwarb später das benachbarte Rittergut Schwaneberg (Uckermark). Sein Sohn Conrad verbrachte als pensionierter Oberst viel Zeit auf dem Rittergut Beesdau, welches seine Mutter von ihrem Vater, dem preußischen Agrarwissenschaftler und -reformer Johann Gottlieb Koppe (1782-1863), geerbt hatte.
20. Jahrhundert
In Wanzleben folgte auf Philipp-August Kühne sein Sohn Erich als letzter Inhaber der Betriebe bis 1945 und letzter königlich preußischer Amtsrat der Domäne. Er erwarb 1929 das Rittergut Kloxin (Kreis Pyritz, Pommern) für seinen Sohn Claus-Joachim.
All diese landwirtschaftlichen Betriebe, Zuckerfabrik und Ziegelei einschließlich des jeweiligen Privatvermögens – eine über Generationen mit dem in Hornburg erwirtschafteten Vermögen als Grundlage ausgebaute und erarbeitete Lebensgrundlage der weit verzweigten Familie – wurden 1945 im Rahmen der kommunistischen „Bodenreform“ in der sowjetischen Besatzungszone bzw. in dem seinerzeit unter polnischer Verwaltung stehenden Pommern konfisziert. Die Mitglieder der Familie wurden ihrer jeweiligen Heimatkreise verwiesen und entzogen sich der Verhaftung durch die Kommunisten teilweise durch abenteuerliche Flucht in die Westzonen. Als letzter floh Stephan Kühne kurz vor dem Mauerbau 1961 mit Ehefrau und zwei kleinen Kindern aus Kläden (Altmark) über Berlin in den Westen. Ihnen allen gelang unter völlig veränderten Lebensumständen mit buchstäblich nichts der Neuanfang in der Bundesrepublik. Sie meisterten neben der Verschiebung auf der geographischen die Herausforderungen ihrer Verschiebung auch auf der „sozialen Landkarte“. Nur wenige fanden wieder in der Landwirtschaft eine Lebensgrundlage, viele in landwirtschaftsnahen Bereichen, viele auch in freien Berufen und als Selbständige.
Lediglich ein Mitglied der Familie lebte mit seiner Frau bis 1989 in der DDR. Einige Familienmitglieder haben seit der “Wende” einen Teil der landwirtschaftlichen Flächen der Familie in Wanzleben, Nienhagen und Beesdau zurückerwerben können, einige leben wieder an diesen Orten.
Die Burg Wanzleben ist heute ein einladendes Hotel, welches einen Besuch lohnt www.burg-wanzleben.de.